Savannencamping für Fortgeschrittene

Der kleine rote Citigolf ist gepackt bis oben hin, als wir uns am Freitagnachmittag auf dem Weg zur Spitzkoppe machen, einer Felsformation in der Nähe von Swakopmund. 

Die Spitzkoppe von oben
Die Spitzkoppe von oben

Die Strecke dauert gute 4h und so ist es schon dunkel, als wir über die Gravelroad an einem kleinen Barackendorf vorbei auf das Eingangstor des Spitzkoppe Camps zurasen. Der freundliche Mitarbeiter verkauft uns noch etwas Feuerholz und gibt uns eine Karte mit den Zeltplätzen. Welchen wir nehmen, dürfen wir uns selbst aussuchen.

Das wirklich Coole an dem Campingplatz ist, dass die Plätze einzeln verteilt um die Felsen der Spitzkoppe herum liegen. Jedes Camp hat seine eigene Zufahrt ab vom Hauptweg, sodass man völlig ungestört bleibt und andere Camper so gut wie gar nicht zu Gesicht bekommt. Ein richtiges Naturerlebnis. Das wird noch verstärkt durch den Fakt, dass es kein Strom und kein fließendes Wasser gibt. Nur ein Plumpsklo ein paar Meter weg vom eigentlich Zeltplatz. Aber wer braucht schon die Errungenschaften der Zivilisation, wenn es einen kristallklaren und funkelnden Sternenhimmel gibt?


Unser Zelt bauen wir, campinggeübt wie wir mittlerweile sind, auch im Dunkeln problemlos in Minuten auf. Ich entfache währenddessen mit meinen von Bear Grills erlernten Fähigkeiten ein loderndes Lagerfeuer. Im Kreis sitzen wir um die Flammen herum; es gibt Essen vom Campingkocher, der Lenni noch fast um die Ohren geflogen wäre. Um die Campingatmosphäre perfekt zu machen, trinken wir noch etwas Rum und singen ein paar Liedchen. Als die Temperaturen soweit sinken, dass man sich zusammenkuscheln muss, beschließen wir uns ins Zelt zu verkriechen.


Als wir am nächsten Morgen die Reißverschlüsse Zelttür lösen und den Stoff zur Seite schieben, ist es als würde ein Maler ein Tuch anheben, um sein neues Meisterwerk zu präsentieren. Savannengras um uns herum, grüne Sträucher und Bäume, dazu rote, glatte Felsen, die aussehen wie aus rotem Sand gegossen und zerflossen. Darüber ein wolkenloser, tiefblauer Himmel. Die Dunkelheit am Vorabend hatte es uns nicht ermöglicht, weiter als 5 Meter zu sehen, doch jetzt präsentierte die Natur ihre volle Schönheit.

Nach dem Frühstück geht es motiviert von unserem Zeltplatz los, diese wunderschöne Umgebung zu erkunden. Schon nach wenigen Metern auf dem Hauptweg führt uns ein mit "Rock Arch" betiteltes Schild zu einem großen Felsen, der sich wie ein Bogen über einen anderen spannt. In der Nähe liegen wie riesige Kieselsteine weitere Felsen herum, teilweise sind sie schon durch Erosion zersprungen oder komplett zersplittert. Perfektes Setting für ein paar Poserfotos, dann kann es weitergehen.

Wir wollen neue Wege erkunden und wandern deswegen quer auf die Spitzkoppe zu. Man versteht sofort, warum Roland Emmerich diesen Ort wählte, um Szenen für seinen Film "10.000 BC" zu drehen. Hohes Savannengras, ein schier unendlich weite Ebene, daraus hervorragend das Dreieck der Spitzkoppe und seine Ausläufer.

Schon nach wenigen hundert Metern wissen wir allerdings nicht mehr genau wo wir lang müssen und sind dann irgendwann auch genervt von den vielen kleinen Stacheln, die die ganze Zeit an den Beinen kratzen (oder in meinem Fall durch die Schuhsohle stechen - danke Nike für die Erfindung der Buttersohle). Aber als Möchtegern-Survivor-Kandidaten lassen wir uns natürlich nicht unterkriegen und finden tatsächlich einen Weg. 

Da die Spitzkoppe so wirkt, als wäre sie ohne Ausrüstung kaum zu erklimmen (nicht umsonst wird sie auch das Matterhorn Namibias genannt), beschließen wir den nicht ganz so steilen Nachbarberg zu besteigen.

Der Fuß des Sugar Loaf, so wird der Berg genannt ist wie zerlaufenes Karamell sehr flach und weich, doch dann wird es relativ schnell steil und die Felsen immer kleiner. Durch Erosion ist der Berg irgendwann auseinandergebrochen, sodass nun jede Menge Felsen mehr oder weniger stabil übereinander liegen. Jeder der den Film 127 Hours gesehen hat, wird da Horrorszenarien in seinem Kopf durchspielen - und natürlich verdrängen. Denn es ist einfach ziemlich cool so von Fels zu Fels zu hüpfen und dann irgendwann beim Umdrehen zu merken, wie unglaublich weit und beeindruckend. So eine kurze Pause mit einem Peanutbutter-Banana-Sandwich kommt da natürlich auch nicht schlecht, um den Ausblick noch mehr genießen zu können.

Es geht immer weiter bergauf, bis wir an der Stelle ankommen, wo das Geröll herkommt. Die Spitze des Sugar Loaf hat sich hier so zerteilt, dass es wirkt, als hätte jemand versucht hier Platz zu schaffen für den Bau einer Schnellstraßen (würde von der Breite her passen), hätte dann aber aufgegeben. Wir gehen weiter, bis das Gelände steil abfällt und der Blick auf die andere Seite frei wird. 

Durch die Erfahrung an den Victoria Falls sind wir sind wir etwas gelassener was das Stehen auf allein über dem Abgrund stehenden Felsen betrifft. Ein gewisser Nervenkitzel ist trotzdem zu spüren, als wir die Beweisfotos anfertigen.

Dann geht es wieder herunter und zum Zelt zurück, da die Sonne bereits müde die letze Stunde bis zum Feierabend abwartet.


Manchmal macht man Pläne, um dann bei geringem Widerstand bereits zu merken, dass man eigentlich nicht wirklich motiviert ist, sie auszuführen. So geht es uns, als wir am Sonntagmorgen um 7 aufwachen und feststellen, dass es bitterkalt und neblig ist. Bei diesen Bedingung möchte man sich lieber in den Schlafsack kuscheln und an seinen Zeltnachbarn wärmen, als aus dem Zelt zu kriechen und Frühstück zu machen. Lenni bildet da jedoch die Ausnahme (im Nachhinein kann man sagen: zum Glück - in diesem Moment kommt ihm aber eher Ablehnung als Respekt entgegen). Er schmeißt den Gaskocher an, macht Wasser heiß für Kaffee und bereitet uns Müsli und Brot und motiviert uns dazu, aus dem Schlafsack und in die tiefgefrorenen Klamotten zu steigen und aufzustehen. Warum diese Qual? Wir hatten uns vorgenommen, an diesem Morgen eine geführte Tour zu machen - jaja, ich weiß, wir haben uns immer gegen solche Touristenklischeeangebote ausgesprochen und über Leute lustig gemacht, die einen Guide engagieren...aber in diesem Fall haben wir keine Wahl, da der Ort, den wir besuchen wollen eingezäunt und versteckt liegt. 

Eine knappe halbe Stunde zittern wir an der Rezeption in der Kälte, da unser Guide erst von einem anderen Mitarbeiter mit einem einpedaligen Fahrrad (keine Ahnung, wie er das fahren konnte) geweckt und geholt werden musste.

Sichtlich verkatert kommt der junge Mann an und versucht uns klar zu machen, dass wir einen einfacheren Weg nehmen sollten. Dass der Gute ernsthaft noch weniger motiviert ist als wir, und wir ihn dafür noch bezahlen sollen, entfacht ein gewisses Feuer der Motivation in uns, sodass wir stur widersprechen und uns aufmachen zum Bushman's Paradise

Das Bushman's Paradise ist eine rundum von Felsen umgebene Ebene  auf einem der Ausläufer der Spitzkoppe. Hier wachsen Savannengras, Sträucher und grüne Bäume und es gibt Höhlen, in denen die Ureinwohner früher wohnten. All das lässt sich vom Fuß des Berges nicht mal annähernd erahnen. Es ist ein bisschen wie man sich den Garten Eden vorstellt: ein verstecktes Paradies.

In eine der Höhlen finden sich an den Wänden Felszeichnungen der San. Auch nach hunderten und tausenden von Jahren sind diese noch gut erhalten. Ein Rhino ist zu finden, und Giraffen sowie Bilder einer Jagd.

Nach diesem Erlebnis gibt es erstmal ein reichhaltiges Frühstück. Aus den Soßenresten zaubert Chefkoch Sissi in Verbindung mit Avocado und ein paar Kräutern die leckerste Nudelsoße, die wir jemals genießen durften. Wie oft bin ich schon mit Kochlöffel in der Küche stehend aufgewacht, weil meine Träume mich nachts zu dieser Soße geführt haben und ich schlafwandelnd versucht habe, sie zu reproduzieren...leider bisher erfolglos. Vielleicht braucht man einfach einen Gaskocher, Blechtöpfe und ein wenig Sand im Essen um wirklich namibische Camperkost zu kochen. Wie auch immer, nach dem Essen wollen wir den Nationalpark auf der Rückseite der Spitzkoppe erkunden...

 

Susa hat noch nie in ihrem Leben ein Auto gesteuert (eben 'ne echte Berlinerin) und da der Wagen alt ist, keine Tiere auf der Straße zu sehen und mitten in der Natur normalerweise keine Polizisten unterwegs sind, darf sie sich hier mal versuchen. Im ersten Gang mit 20 über Steine und Sand, so lernt man Fahren! 

Wir lassen das Auto an dem Zaun des Nationalparks zurück und wandern nach einer kurzen Kletteraktion durch die weite Savanne, springen auf Felsen, quetschen uns durch kleine Schluchten und genießen einfach das warme Wetter, die Natur und das Leben. Da kann man schonmal vergessen, dass Sonnenschein auch Sonnenbrand bedeuten kann - aber 3 Wochen als Redneck herumzulaufen ist für diesen Trip auf jeden Fall ein fairer Preis!

An dieser Stelle noch zwei Links zu Blogs unserer Mitreisenden:

Susa: "1000 raubkopierte Menschenklone"

Hannah: "Into the Wild"

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